Starker Kulturwandel am Arbeitsplatz

Starker Kulturwandel am Arbeitsplatz

Mit den Corona-Erfahrungen und der Rückkehr ins Büro geht der feste Schreibtisch verloren – “non-territoriales Arbeiten” prägt künftige Arbeitswelten

von Jenö Kleemann

Welch eine Verschwendung! Schon vor Corona standen rechnerisch 20 Prozent aller Schreibtische in deutschen Büros leer. Die Kollegen waren in Meetings, im Urlaub, krank oder auf Dienstreise. Mit Corona hat sich dieses Bild verschärft – worauf nun Unternehmen und andere Organisationen reagieren und massiv umbauen. Wir bei Eurocres gehen davon aus, dass künftig 70 Prozent der Flächen dem Austausch und der Kooperation dienen – und Einzelbüros nur noch einen Flächenanteil von 30 Prozent haben werden. Das ist ein um 180 Grad gedrehter Wandel des traditionellen Funktionsmixes.

Dass der feste Arbeitsplatz ausgedient hat, liegt gleich an mehreren Gründen: Unternehmen stehen in der ressourcenschonenden Verantwortung, Büroflächen einzusparen und ihre Wirtschaftlichkeit sicher zu stellen. Mitarbeiter wollen – nach den positiven Erfahrungen in der Corona-Zeit – verstärkt mobil arbeiten. Und schließlich haben sich die realen Aktivitäten der Angestellten im Büro verändert, wie unsere permanenten Untersuchungen bei den Kunden zeigen: Nur noch 44 Prozent der Arbeit ist individuell, alle anderen Tätigkeiten dienen der Zusammenarbeit, ob physisch Aug‘ in Aug‘ oder digital. Damit wird der angestammte persönliche Arbeitsplatz zum Auslaufmodell – der Paradigmenwechsel zum sogenannten non-territorialen Arbeiten gibt künftig den Takt vor. Doch der Umbau des Arbeitsumfelds hat einige Herausforderungen zu meistern. Wie kann die Neugestaltung – die einen mächtigen Kulturwandel im Unternehmen bedeutet – dennoch gelingen?

 

Vorteile für alle

Arbeit, ihre Inhalte, Methoden und Prozesse wandeln sich stets; derzeit aber in besonders hohem Tempo. Regelmäßig analysieren wir daher die Aktivitäten bei unseren Kunden Und wie unsere neuesten Daten zeigen, dominiert bei einem Büropräsenztag heute mit 56 Prozent die Zusammenarbeit. Der Rückzug ins Einzelbüro bildet die Ausnahme – nimmt man die Aktivitäten als Maßstab und nicht etwa eingefahrene Gewohnheiten oder persönliche Befindlichkeiten. „Activity Based Working“ gibt zukünftig den Takt vor – und nicht mehr die jeweilige Person, die den „einen“ Tisch beansprucht. Mitarbeiter und Führungskräfte lehnen diese Art der Veränderung daher längst nicht mehr ab. Vor allem, wenn sie durch ein kluges und dosiertes Change Management begleitet werden. Denn der Paradigmenwechsel bringt viele Vorteile:

  • Die (Um-) Gestaltung des Arbeitsplatzes dient als Katalysator für den kulturellen Wandel hin zum agileren Unternehmen.
  • Ein modernes Arbeitsumfeld macht den Arbeitgeber attraktiver – besonders wichtig bei Neueinstellungen.
  • Daneben forcieren neue Arbeitswelten die Weiterentwicklung der Führungskultur und frischer unternehmensinterner Prozesse.
  • Das aktivitätsbezogene Arbeiten bildet eine wichtige, fundamentale Grundlage für eine neue Qualitätsstufe der Bewegungs- und Gesundheitsförderung.
  • Fast überflüssig zu erwähnen, dass bei allen Konzepten für mehr non-territoriales Arbeiten die Digitalisierung im Mittelpunkt steht und gleichzeitig vorangetrieben wird – sie bildet gleichzeitig überhaupt erst die Voraussetzung für (mehr) mobiles Arbeiten.

 

Die Stolpersteine

Wo aber lauern die Stolpersteine bei solch einem Umbau beziehungsweise was muss man im Umkehrschluss tun, damit er gelingt?

  • Ein häufiger Fehler bei Work-Place-Projekten ist, dass sie allein von einem Fachbereich angeregt werden, oft HR oder CREM. Vielmehr ist es notwendig – und zwar von Beginn an –, dass alle Bereiche zusammenarbeiten und eine gemeinsame Strategie verfolgen, gern auch erstellt während eines Strategie-Workshops mit Eurocres.
  • Es gibt keine Vision von einer weiterentwickelten Unternehmenskultur. Diese ist aber unabdingbar, nämlich nicht nur für das Arbeitsplatzkonzept, sondern auch für den kulturellen Wandel. Beides muss sich aneinander ausrichten – und kann ebenfalls mittels eines Workshops und Interviews erarbeitet werden.
  • Das Projekt ist ebenso zum Scheitern verurteilt, wenn es nur aus dem Projektteam oder einem Fachbereich vorangetrieben wird. Es müssen jedoch alle Abteilungen an Bord sein und unserer Erfahrung nach mindestens 75 Prozent der Führungskräfte – die die Vorteile der neuen Arbeitswelt erkennen müssen, um liebgewordene Privilegien über Bord zu werfen und neue Qualitäten anzunehmen.
  • Ohne den Chef des Unternehmens/ der Organisation läuft aber gar nichts. Er oder sie muss nicht nur von der Initiative überzeugt sein, sondern sollte idealerweise an der Spitze der Bewegung stehen. Nur so akzeptieren die Mitarbeiter den Fortschritt.
  • Heikel wird es, und dies ist eine nicht seltene Gefahr, wenn sich Mitarbeiter und Betriebsrat gegen eine neue Arbeitswelt stellen. Wenig überraschend, passiert das häufiger bei Behörden als in der Privatwirtschaft. Um solchen Situationen vorzubeugen gilt es, die bereits erwähnten Punkte besonders zu beachten. Hierzu gehört auch, Formate wie Workshops, Fokusgruppen oder Interviews zu nutzen, die die Mitarbeiter mitnehmen. Denn kaum etwas verbreitet so viel Angst wie Veränderungen, vor allem wenn man bisher in einem ruhigen Einzelbüro sitzt. Der Lern- und Entwicklungsprozess der Kollegen – um die Vorteile der Neuerungen zu erfassen –, muss daher durch professionelles und sensibles Projektmanagement begleitet werden, das auf jene Leute eingeht, die es direkt betrifft.
  • Fehlschläge sind ebenfalls programmiert, wenn die gesamte Idee nur halbherzig vorangetrieben wurde und schlimmstenfalls im Rückbau endet. Dies kann daran liegen, dass der wesentliche Prozess zum begleitenden Kulturwandel gar nicht mitgedacht wurde – oder nicht zur Akzeptanz innerhalb der Belegschaft geführt hat. Wichtig ist es daher, alle Schritte des Wandels zu analysieren, zu bewerten und entsprechend darauf zu reagieren.

 

Moderne Arbeitskultur: Einzelarbeit findet künftig zuhause statt

An der Arbeitsplatzgestaltung manifestieren sich viele kulturelle Aspekte – und Ängste, wenn der vertraute Individualarbeitsplatz wegfällt. Allerdings mit abnehmender Tendenz. Denn mit Corona und der Arbeit zuhause kam der Aha-Effekt. Wechselnde Schreibtische, an denen morgen ein anderer sitzt, sind nun kein Horror mehr. Mobiles Arbeiten hat durch die Pandemie einen riesigen Aufwind und hohe Akzeptanz erfahren. Prozesse und Aktivitäten, die eine Büropräsenz benötigen, werden neu definiert. Auch die Mitarbeiter wollen nach Corona nicht in die alte Büroinfrastruktur zurück. Der Pandemienotfallmodus liefert so Antworten für die künftige Work-Place-Struktur und prägt die Arbeitswelt von morgen: Mit viel Platz für Austausch und Kooperation im Sinnbild eines „Lagerfeuers“ – während der fest-garantierte physische Arbeitsplatz sich nur noch an einem Ort befindet: Zuhause.

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